Blicke mir nicht in die Lieder

9. Mai 2008
Meran, Kursaal

Gustav Mahler steht in vielfacher Hinsicht an einem Wendepunkt der Musikgeschichte. Während die Welt langsam aber sicher in den Weltkrieg schlittert, treibt er die Romantik, die „schöne“ Musik ins Extreme, ja Bizarre. Die ambivalente Gesellschaft und eigene schmerzliche Lebenserfahrungen bilden gleichsam den seelisch-geistigen Boden für sein gewaltiges symphonisches Schaffen, in dem die von ihm entwickelten Orchesterlieder eine besondere Stellung einnehmen. Mit hellwacher Sinnlichkeit komponiert Mahler hochexpressive Musik um seine zentralen Themen: Liebe, Leidenschaft, Abschiednehmen, Leiderfahrung, Einsamkeit. Seine Musik droht immer wieder zu zerbersten, so prall hat er sie gefüllt.
Typisch Mahler scheint also das Übervolle.
Ein Wagnis, die 1001 Klangfarben auf nur vier Instrumente plus Sologesang zu reduzieren?
Aber: Sind nicht Einfachheit, kindliche Schlichtheit, intimste, stille Klänge, sind die nicht auch, und vielleicht noch viel mehr: typisch Mahler?
In diesem Konzertprogramm wollen wir Mahler buchstäblich auf den Grund gehen, seine Melodien und Harmonien gleichsam einkochen, reduzieren, bis eventuell übrigbleibt, was die Essenz sein könnte. Wir haben aus den „Liedern eines fahrenden Gesellen“, den „Rückert-Liedern“ und aus „Des Knaben Wunderhorn“ ausgewählt und für uns bearbeitet, und schaffen eine Synthese aus orchestraler Farbe und kammermusikalischer Innigkeit.
Mahlers Liebe zur Volksmusik scheint ja etwa das Akkordeon geradezu einzuladen. Geige, Cello und Kontrabass dürfen – völlig frei von dem, was ihnen Mahler einst im Orchester zugedacht hat –gleichzeitig Wirtshaus-Kapelle und Engelschor sein.

Musik am Rande des Abgrunds, nicht nur weil längst die Tage von Dur und Moll gezählt sind.
Musik voller herzzerreißender Sehnsucht.
Sehnsucht nach Schlichtheit im Chaos des Lebens.
Sehnsucht des einsamen Einzelnen nach dem liebevollen Gegenüber.
Sehnsucht nach dem Tanzboden.
Der „liebe“ Gott und auch gleich Gevatter Hein.
Die „Csárdásfürstin“ auf der anderen Seite.
Lehár und Kálmán als Droge gegen das aufziehende Unheil.
Walzerrausch im Untergehen.

Amarcord Wien hat solche Sachen bereits mit Mussorsgkij und Satie angestellt – mit erstaunlichen Ergebnissen. Virtuos und gleichzeitig mit Sinn für das Wesentliche. In Arrangements, die die außergewöhnliche Besetzung für die jeweilige Musik wie geschaffen erscheinen lässt. Wer Amarcord kennt, weiß, wovon die Sprache ist.

Die junge Mezzosopranistin Elisabeth Kulman ist durch ihre Vielseitigkeit für das Projekt prädestiniert: Sie singt die große Literatur aus Oper, Operette und Konzert ebenso wie feinste vokale Kammermusik aus den unterschiedlichsten Stilbereichen. Ihre außergewöhnliche Stimme hat sie bereits an führende Opernhäuser Europas wie die Staatsoper Berlin, die Opéra National de Paris und die Wiener Staatsoper, deren Mitglied sie seit 2007 ist, gebracht, nachdem sie mehrere Jahre lang an der Volksoper Wien zu hören war.

Albert Hosp in Österreich vorzustellen ist müßig, jeder Hörer von Ö1 weiß um den Bann seiner Stimme und seiner Geschichten. Mit über 2000 Radiosendungen ist er ein gebranntes Kind, was die Musik betrifft. Er spinnt den erzählerischen Faden, bringt Randnotizen und Fußnoten ein, stellt Briefzitate und Originaltöne zur Verfügung – und wirft an diesem Abend gemeinsam mit den Musikern einen staunenden Blick auf diese Epoche europäischer Musikgeschichte.

Amarcord Wien, Oktober 2007

Besetzung

Elisabeth Kulman, Mezzosopran
Albert Hosp, Sprecher

Ensemble Amarcord Wien
Sebastian Gürtler, Geige
Michael Williams, Cello
Gerhard Muthspiel, Kontrabass
Tommaso Huber, Akkordeon

Programm

Blicke mir nicht in die Lieder
Ein Programm rund um die Vokalmusik von Gustav Mahler

Programm
Gustav Mahler: Lieder im Arrangement von Amarcord Wien und vieles andere!

 

Alle Termine

Mittwoch, 7. Mai 2008 - Mödling, Theresiensaal, 19.30 Uhr
Donnerstag, 8. Mai 2008 - Innsbruck, Canisianum - 20 Uhr
Freitag, 9. Mai 2008 - Meran, Kursaal - 20 Uhr
Dienstag, 13. Mai 2008 - Bad Schallerbach, Atrium - 19.30 Uhr
Mittwoch, 14. Mai 2008 - Wien, Konzerthaus, Mozartsaal - 19.30 Uhr

Genre