27.2.2020 · Bühne · Theresa Steininger-Mocnik

Gegen Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt
Nie wieder in einer szenischen Opernproduktion mitzuwirken – mit dieser Entscheidung überraschte Elisabeth Kulman vor rund fünf Jahren ihre Fans. Wenn die begehrte Mezzosopranistin, die sich seither ganz auf Auftritte auf dem Konzertpodium konzentrierte, nun an der Wiener Staatsoper als Fricka in „Die Walküre“ zu sehen ist, so bleibt das eine einmalige Ausnahme, wie die Sängerin im Interview betont.

Sie kehren einmalig in eine szenische Opernproduktion zurück. Ist das ein endgültiger Abschied? Was entgegnen Sie jenen Fans, die hoffnungsvoll annehmen, es sei eine Rückkehr?
Elisabeth Kulman: Dieser Abend soll ein Fest sein! Ich werde ihn mit allen Sinnen genießen und jede Sekunde bewusst erleben. Das wünsche ich mir auch für die Fans, die ja nicht nur im Opernhaus, sondern auch via Live-Stream dabei sein können. Ja, es bleibt einmalig. Umso mehr soll man es auskosten.

Mit der Ausnahme wollen Sie sich bei Dominique Meyer für sein Verständnis damals bedanken, als Sie aus dem szenischen Opernbetrieb ausstiegen und Produktionen absagten. Wie genau hat Direktor Meyer reagiert?
Kulman: Dominique hatte große Schwierigkeiten wegen mir, weil ich ihm zweimal recht kurzfristig Premieren absagte („Chowanschtschina“ und „Hänsel und Gretel“). Trotz all des Ärgers war er mir gegenüber immer einfühlsam und verständnisvoll.

Werden Sie auch für andere Direktoren, die ähnlich reagierten, eine Ausnahme machen?
Kulman: Ich mache diese in erster Linie für das Wiener Publikum, das Publikum meiner musikalischen Heimat. Mein Rückzug von der Opernbühne kam 2015 so überraschend – auch für mich selbst -, dass ich gar nicht würdevoll Abschied nehmen und Danke sagen konnte. Das möchte ich nun nachholen. Für „meine“ Wiener. Hier bin ich groß geworden, hier war lange Zeit mein Zuhause.

Warum gerade als Fricka? Was mögen Sie an dieser Rolle besonders?
Kulman: Dass ich die Fricka singe, war Dominique Meyers großer Wunsch, als er für seinen letzten „Ring“ seine Traum-Besetzung zusammensuchte. Da die Rolle herrlich zu singen und die 20-minütige Szene mit Wotan raffiniert und vielschichtig ist, habe ich Ja gesagt. Besonders freue ich mich auch auf Tomasz Konieczny als meinen Göttergatten, mit dem mich eine langjährige Wagner-Geschichte verbindet und der auch imstande ist schauspielerisch Tiefe einzubringen. In diesem ehelichen Konflikt geht es vor allem um eines: Macht. Fricka wittert zum ersten Mal die Chance, ihren freiheitsliebenden Mann in die Knie zu zwingen, und packt sie beim Schopf. Da geht es nur an der Oberfläche um das Hüten der Traditionen und Konventionen. In Wahrheit hat diese nur allzu menschliche Göttin von ihrem ebenso wenig göttlichen Ehemann so viel Demütigung und Kränkung erfahren, dass sie nach Rache und Vergeltung giert. Dass er ihr am Schluss zähneknirschend den Eid schwören muss, ist für sie die größte Genugtuung.

Was müsste passieren, damit Sie sich doch eine Rückkehr zu szenischen Opernvorführungen vorstellen könnten?
Kulman: Darüber mache ich mir keine Gedanken. Das Thema ist für mich abgeschlossen.

Wie beurteilen Sie heute Ihre Entscheidung aus dem szenischen Opernbetrieb auszusteigen? Welcher Aspekt dieser Arbeit fehlt Ihnen möglicherweise? Worauf verzichten Sie gerne?
Kulman: Ich erinnere mich gerne an die Kollegen und Mitarbeiter der Opernhäuser, wo immer alle mit größtem Einsatz und höchster Professionalität für die Sache zusammengearbeitet haben – und an die positive Energie, die von der grandiosen Musik in die Herzen strömt. Musik eröffnet uns eine Dimension, die für uns im Alltag meist unerreichbar ist. Im vibrierenden Opernhaus spürt man das. Ich verzichte hingegen sehr gerne auf den Stress, die vielen Probenstunden, das Ausgeliefertsein einem Regiekonzept gegenüber, die künstlerische Unfreiheit.

Gibt es Rollen, denen Sie nachtrauern?
Kulman: Ich habe nicht mehr das Bedürfnis, in Rollen zu schlüpfen. Das war auch einer der Gründe für meinen Rückzug. Mein Streben gilt der Authentizität als Mensch. Sie steht für mich im Widerspruch zur Verkleidung, selbst wenn es „nur“ auf der Bühne ist. Ich will mich nicht mehr hinter einer Maske verstecken und kann deshalb keine Kunst ausführen, deren Prinzip die Illusion ist.

Wie sehen Sie heute Ihren Kampf um mehr Verständnis für Künstlerrechte und -bedürfnisse – was konnte hier erreicht werden, wo gibt es noch Aufholbedarf?
Kulman: Wir stehen völlig am Anfang. Erreicht werden konnte, dass es mittlerweile eine offene Diskussionskultur gibt. An den Missständen hat sich aber so gut wie noch nichts geändert. Es liegt ein langer Weg vor uns und ich möchte meinen Kollegen gerne helfen, sich Gehör zu verschaffen und für ihre Rechte einzutreten. Dazu betreibe ich etwa den YouTube-Kanal „What‘s Opera Doc“ und die Initiative „Voice it!“ gegen Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt im Klassikbetrieb.

Wie wählen Sie die Werke, die Sie konzertant machen, aus?
Kulman: Ich wähle nach Werk, Dirigent, Orchester, Ort (ich bevorzuge warme Gefilde) und Gage. Im Januar war ich etwa erstmals in Südamerika und durfte beim größten kolumbianischen Festival in Cartagena Schubert singen. Es ist toll, wenn man durch den Beruf ferne Länder kennenlernen darf.

Können Ihre Fans sich sicher sein, dass Sie ihnen auf der Konzertbühne noch länger erhalten bleiben?
Kulman: Dieses Jahr gibt es noch zahlreiche Gelegenheiten, mich live auf der Bühne zu sehen, ich werde mich dann aber zunehmend zurückziehen. Ich habe einige Pläne, werde diese aber erst verraten, wenn sie spruchreif sind.

BÜHNE – Österreichs Theater- und Kulturmagazin
(Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der BÜHNE.)

 

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