1.9.2019 · Prolog · Oliver Láng
Ein Plädoyer für die Kreativität
Elisabeth Kulman präsentiert ihr fulminantes Programm
Mit ihrem Programm La femme c’est moi wird Elisabeth Kulman landauf-landab vom Publikum gefeiert. Landauf-landab: das bedeutet nicht nur in Österreich, auch in Deutschland und sogar im fernen Osten entführt die Mezzosopranistin erfolgreich auf eine rasante Berg- und Talfahrt durch musikalische Genres und Stile, schlüpft in unzählige Rollen. Im September gastiert sie mit dem Abend nun auch an der Wiener Staatsoper. Zeit für ein Gespräch mit der Sängerin.
La femme c’est moi ist nicht nur in Österreich ein Publikumshit, sondern wurde zuletzt auch in Japan enthusiastisch von den Zuhörerinnen und Zuhörern aufgenommen. Lässt sich das Erfolgsrezept umreißen? Ist es die unkonventionelle Mischung der Nummern? Die Gesamtidee? Die Begeisterung, die hinter dem Projekt steht?
Elisabeth Kulman: Vielleicht ein Mix aus allem. Natürlich betreiben wir ein bisschen ein Rosinenpicken aus der Musikgeschichte: wir bringen viele sehr bekannte Nummern. Diese präsentieren wir jedoch in ungewöhnlichen Gegenüberstellungen, die für Überraschungsmomente sorgen. Wir steuern quer durch die Stile, so gibt es immer Abwechslung. Dazu kommt, dass ich nicht alleine, sondern mit einer großartigen Gruppe von Musikern, echten Hochkarätern, auf der Bühne stehen darf. Sie alle können nicht nur ganz hervorragend spielen, sie bringen sich auch auf den unterschiedlichsten Ebenen ein und haben enorme Bühnenpräsenz. Außergewöhnlich ist auch, dass sie aus unterschiedlichen Genres kommen, von Klassik über Klezmer bis Jazz, und sich doch zu einer eingeschworenen „Band“ zusammenfügen. Wir alle haben großen Spaß und große Freude an der Sache. Diese überträgt sich auch aufs Publikum, steckt sie an – das ist auch für uns immer wieder sehr beglückend.
Und welche der Freuden ist dabei Deine größte?
Elisabeth Kulman: Mir kommt sehr entgegen, in unterschiedliche Rollen und Fächer zu schlüpfen. Eine Marschallin konnte ich auf der Bühne nie singen, aber an diesem Abend darf ich für ein paar Minuten über die „Zeit“, das „sonderbar‘ Ding“, sinnieren. Gerade an diesem geschichtsträchtigen Haus, der Wiener Staatsoper, wird das für meine Musiker und mich sicher ein ganz besonders kostbarer Moment sein. Spaß macht mir natürlich auch, einen Escamillo auf die Bühne zu stellen, was auf der realen Opernbühne freilich völlig ausgeschlossen wäre. Es ist die Lust an den Emotionen, dieses durch alle charakterlichen und musikalischen Landschaften-Wandern, das ist für mich ein besonderes Vergnügen.
Ein solcher Abend hat viele Adressaten. Hast du eine Zielgruppe im Hinterkopf gehabt, als das Programm entstanden ist? Ist es der „typische“ Opernbesucher? Oder Kleinkunst-Fans mit weniger Opernerfahrung?
Elisabeth Kulman: Es ist wunderbar, wenn das Programm möglichst viele Musikliebhaber anspricht. Natürlich: Opernbesucher werden vieles kennen, aber wohl so noch nicht gehört haben. Andererseits besteht der Abend aus vielen schönen Melodien, die sich auch einfach so vermitteln, die man nicht vorab kennen muss. Wir haben bewusst an ein breites Publikum gedacht – und wenn jemand dabei seine Begeisterung für Oper und klassischen Liedgesang entdeckt, ist es umso schöner!
Du singst aber nicht nur Nummern aus der sogenannten Klassik, sondern unter anderem auch Popsongs. Ist das dann die Opernsängerin Elisabeth Kulman, die Pop mit Opernstimme singt?
Elisabeth Kulman: Ich passe meinen Gesang dem jeweiligen Genre an und singe einen Popsong nicht mit der klassisch ausgebildeten, sondern mit der natürlichen Stimme. Die Herausforderung für unseren Arrangeur Tscho Theissing war dabei, dass die Songs ohne Mikrofon funktionieren müssen. Er hat das ganz feinsinnig und überzeugend gemacht.
Nun springst du zwischen den unterschiedlichen Stilen munter herum. Ist das für dich anstrengender, als am Anfang eines Abends in eine Rolle zu schlüpfen und sie dann durchzuziehen?
Elisabeth Kulman: Natürlich ist der schnelle Wechsel zwischen vielen Charakteren anstrengend, doch es ist eine Herausforderung, die ich genieße. Ich habe mir ein Programm auf den Leib geschrieben, das mich durchaus auch an meine Grenzen bringt. Doch für das Publikum soll natürlich alles ganz leicht wirken, ein kurzweiliger Abend voller Abwechslung.
Erlebt diese Abwechslung auch eine Abwechslung?
Elisabeth Kulman: Auch das ist uns wichtig. Das Programm ist ein work in progress, immer wieder bauen wir neue Nummern ein, entwickeln den Abend laufend weiter. Erstmals in Wien werden wir diesmal zum Beispiel eine fantastische Fassung von Schuberts Erlkönig spielen: im Ensemble geben wir dem Lied neue, ungehörte Farben. Uns allen ist es wichtig, keine Routine aufkommen zu lassen. Das Konzept bleibt bestehen, aber im Inhaltlichen lassen wir uns die Freiheit, immer weiter zu arbeiten.
Wir – wer ist das?
Elisabeth Kulman: Tscho Theissing und ich haben das Programm im Wesentlichen entwickelt. Aber natürlich kann auch manches gemeinsam mit den einzelnen Musikerinnen und Musikern der Gruppe entstehen.
Gibt es eigentlich eine Art Meta-Ebene, eine Grundidee, die unabhängig von den einzelnen Themen existiert?
Elisabeth Kulman: Darüber habe ich mir Gedanken gemacht. Und es gibt eine Art Subtext zu dem Abend: nicht in musikalischer Weise zu missionieren, sondern zu zeigen, wie erfüllend es sein kann, sich der eigenen Kreativität, dem eigenen Gestalten, dem Zaubern zu widmen. Es ist ein Plädoyer für die eigene Schaffenskraft. Dazu möchte ich anregen! Meine persönliche künstlerische Geschichte ist das beste Beispiel dafür. Ich habe einen konventionellen Ausbildungsweg gemacht und mich nach einigen Jahren „im Geschäft“ von den aufgepfropften Konzepten befreit und aus mir selbst geschöpft. Wenn ich diese Freude an der Kreativität, der Freiheit des künstlerischen Wirkens vermitteln kann, dann könnte das Inspiration für andere sein, sich auch mehr zu trauen. Es würde mich freuen.
Im Frühjahr singst du an der Staatsoper die Fricka. Ist das eine kleine Rückkehr zur Opernbühne?
Elisabeth Kulman: Es ist eine große Ausnahme! Ich mache das aus zwei Gründen: Einerseits möchte ich mich bei Dominique Meyer bedanken, der verständnisvoll reagiert hat, als ich dem herkömmlichen Opernbetrieb den Rücken gekehrt habe. Und ich singe die Fricka, weil ich mich damals nie so richtig vom Wiener Staatsopern-Publikum verabschiedet habe. Ich möchte das nun nachholen und noch einmal Danke sagen: dass mir das Wiener Publikum stets so viel Unterstützung zukommen ließ!
Das Gespräch führte Oliver Láng
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