Mozart, Wolfgang Amadeus · Große Messe in c-Moll, KV 427
TextWolfgang Amadeus Mozart: Große Messe in c-Moll, KV 427
Liebe macht erfinderisch – und ebenso die Sehnsucht nach dem geliebten Wesen. So versprach Mozart nichts Geringeres als seine höchste Erfindungsgabe, wenn er seine geliebte Constanze als Ehefrau heimführen dürfe, versprach es „in seinem Herzen“ niemandem geringerem als seinem Gott. Das Versprechen wurde eingelöst – wenn auch mit Abstrichen. Denn Mozart komponierte zwar mit höchster Aufbietung seines Könnens eine Messe, ließ sie aber unvollendet. Trotzdem kam sie am 25. August 1882 in Salzburg zur Aufführung, bei welcher die Verursacherin dieses Werkes, nämlich Constanze, das Sopransolo sang. Dies zeigt zweierlei: erstens einmal, dass sie eine sehr geübte Musikerin gewesen ist und zweitens, dass sie in ihrer Liebe es war, die ihren Mann in diesem konkreten Fall zu sublimster musikalischer Auseinandersetzung mit den Wahrheiten des Glaubens angeregt hat. Mozart bietet da sein ganzes musikalisches Wissen auf, um dem Inhalt gerecht zu werden. Unbeeindruckt von der Kritik, die ihm oftmals Eklektizismus und zu große Entferntheit vom gerade zeitgemäßen Stil vorgeworfen hat, verbindet er hier heterogene Stilelemente unter der Patronanz seines begnadeten Ingeniums verständnisvoll miteinander, sodass achtstimmige Doppelchörigkeit, virtuos-kantable Arie und große Fuge als eine durch Vielfalt dargestellte Einheit erfahren werden. Auf einen vergleichbaren Weg wird sich Mozart 9 Jahre später noch einmal begeben: bei der Komposition seines Requiems, das ebenso unvollendet bleiben wird wie die c-moll Messe. Welch Zeichen mag es für uns Nachgeborene sein, dass jene geistlichen Werke, die am Anfang und am Ende von Mozarts Leben mit Constanze stehen, nach unserem Verständnis nicht fertiggestellt worden sind?
Mozart hat für dieses Werk in jeder Hinsicht große Dimensionen vorgesehen. Nicht nur in formaler Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf die Instrumentation. Im Gegensatz zu den meisten anderen Messen verwendet er hier beispielsweise auch die Bratsche und schreibt eine große Bläserbesetzung – unter anderem 4 Posaunen – vor. Wie die Aufführung in Salzburg vor sich gegangen ist konnte nicht festgestellt werden. Da sie im liturgischen Rahmen stattgefunden hat und dafür ein unvollständiges Werk nicht geeignet ist, muss Mozart das Fehlende wohl aus anderen Messen ergänzt haben. Teile der Messe hat er später im geistlichen Oratorium „Davide penitente“ nochmals verwertet – zweifellos ein Indiz dafür, dass er diese eigene Arbeit schätzte. Und in der Tat ist es erstaunlich, wie es dem Komponisten gelingt, stilistisch und satztechnisch höchst Gegensätzliches unter einer kompositorischen Idee zu vereinen und damit sinnfällig zu machen.
Johannes Leopold Mayer